Zu kurz gekommen II
MItgefühl – das fehlt mir auch oft. Überhaupt, Unterstützung, Lob, „hast du gut gemacht“ in allen Lebensbereichen. Das finde ich wichtig, dass wir dieses Mangelgefühl in uns selbst finden und annehmen – dafür ist die ganze Sache schließlich passiert.
Gestern hatte ich einen echten Selbstmitleid-Anfall, so richtig mit „Bu-huu“, so dass ich mir selbst zuhöre und denke, „nanana, jetzt krieg dich mal wieder ein“. Aber ich habe ewig gebraucht, um die Kurve zu kriegen. Immerhin. Ich halte mich nicht daran fest und zeige mit dem Finger auf den Schuldigen (ich hatte mir dafür Gustavs Freund Jack ausgesucht, einen 16jährigen!! – so groß war die Verzweiflung).
Man merkt, finde ich, so richtig den Moment, wo man beschließt, wieder auszusteigen und runterzukommen. Und die Versuchung, das nicht zu tun und stattdessen im Groll stecken zu bleiben. Beide Möglichkeiten sind da, und man muss schon echt wollen, dass das Thema gelöst wird, um nicht im Selbstmitleid zu bleiben.
Das liegt nämlich genau geradeaus und dafür muss man einfach nur auf dem Gaspedal bleiben. Während das Aussteigen und Thema-Lösen bedeutet, das innere Lenkrad mit aller Kraft herumzureissen, und das ohne ein blaues „Ausfahrt“-Schild (also ein Ziel) vor der Nase, einfach nur weil, „so will ich nicht sein“. Das ist deutlich anstrengender.
Ich bin mir sicher, dass wir alle das ganz genau merken. Ich sehe das bei Kindern ganz deutlich – der Moment, wo sie kurz innehalten und dann entweder weiter Vollgas herumbrüllen, oder den Schalter zu „normal“ umlegen und wieder ganz da sind.
Das ist für mich eine super Erkenntnis. Die anderen sind dem gar nicht hilflos ausgeliefert. Sie sind auch nicht „arm dran“ oder „ärmer dran als ich“. Sie können das ganz genau wie ich entscheiden. Im jeweiligen Moment. Das zu sehen, hilft mir dabei, deren Entscheidung und deren Verhalten dann auch wirklich wahr und ernst zu nehmen: „Ok, du gehst jetzt diesen Weg. Hier ist meine Konsequenz“. Statt, wie bisher, es nicht an mich ranzulassen, oder es schönzureden, oder sie in Schutz zu nehmen, im Sinne von „das war doch sicher nicht so gemeint“ „das muss ein Versehen gewesen sein“ „er/sie konnte nicht anders, der/die Arme“.
Doch.
Wir können anders. Vielleicht nicht immer und nicht sofort (dafür gibt es Entschuldigung, Wiedergutmachung, Bewusstmachen, Austausch, Kommunikation).
Aber wir können das, und dazu müssen wir nicht mal Achtsamkeits-Profis sein. Wir müssen einfach einen Hauch Zweifel reinlassen, ob wir hier wirklich im Recht sind, und wenn ja, warum wir uns dann so aufführen.
Ich habe mir jedenfalls für heute vorgenommen, mir Zeit zu lassen bei meinen Reaktionen, und die anderen zu beobachten, und nicht jedes Wort zu glauben, was sie sagen. Besser abwarten und schauen, was sie wirklich tun. Wie es weitergeht. Ob es eine Grenze braucht von mir, oder ob sie den Karren ganz allein in den Dreck fahren :-)