Meine beste Absicht hat ADHS

Heute schreibe ich mal als Klientin. Uns Coaches wird ja nahe gelegt, sich auch ab und zu mal coachen zu lassen, wegen der Weiterentwicklung, und weil man immer vergisst, wie blöd man sich dabei fühlt.

Ich lerne gerade etwas, das ich meinen Klienten schon seit vielen Jahren beibringe, und von dem ich dachte, ich hätte es voll drauf. Das Umsetzen von Visionen. Hey, hey, nicht gleich wegrennen, sie haben es trotzdem geschafft!

Aber ganz ehrlich, ich fand es schon immer schwierig, Visionen von Zielen zu unterscheiden, geschweige denn, beides zu formulieren, und dann kommt ja noch die Absicht ins Spiel. Denn wenn die Absicht nicht stimmt, dann nehmen Ziele und die Vision auch keine Fahrt auf.

Ich also so, alles klar, Anka, Absichten hast du viele, viele davon auch besonders ehrenhaft, das wird sicher ein Kinderspiel. Weit gefehlt. Seit heute weiß ich, dass meine Absicht ein dreijähriges, zerstreutes Mädchen mit voller wirrer Gedanken und einer Aufmerksamkeitsspanne von drei Sekunden ist.

Drei Sekunden braucht man in meiner Wohnung bis in den Flur. Die Absicht reicht also nicht, um absichtsvoll von der Küche (in der ich gerade sitze und schreibe) ins Büro zu gehen (wo ich sitzen und schreiben sollte, aber der Kaffee zu weit weg ist). Weil, das sind mehr als drei Sekunden, da ist der Flur dazwischen, und schon hat sie entdeckt, dass irgendwas rumliegt, das so nicht rumliegen sollte. Beim Aufheben stellt sie fest, dass es sich um eine Socke handelt, eine dreckige Socke. Und schon meldet das Gehirn „Waschmaschine“. Mein innerer Schweinehund macht einmal laut „YESSS“, weiß er doch, dass er jetzt wieder 1:0 gegen meine Schreibabsicht gewonnen hat.

Aber ich würde hier nicht so locker darüber schreiben, wenn ich das Problem nicht lääääängst in den Griff gekriegt hätte.

Erstens ist es mir aufgefallen, und das ist ja schon der erste Schritt zur Besserung. Zweitens habe ich meine Absicht schon jetzt total durchschaut. Sie liebt es, Dinge von einem Ort wegzunehmen und woanders hinzulegen, unter dem Vorwand, Ordnung zu schaffen. In Wahrheit lenkt sie mich damit nur ab. Außerdem isst sie wahnsinnig gern Süßigkeiten und hat eine absolut unlösbare Verknüpfung zwischen Kaffee und Schokolade in ihrem frontalen Kortex. Uralter Überlebensinstinkt. Ganz schwer zu überlisten.

Drittens beantwortet sie jeden Telefonanruf sofort. Könnte ja existenziell sein. Ist es meistens auch, aus ihrer Sicht, denn wieder einmal bin ich erfolgreich abgelenkt. Selbst wenn es, wie eben, nur die Tanzschule ist, die fragen wollte, ob mein Sohn auch ne Stunde früher kommen kann. Äh – Was wollte ich schreiben? Wo war ich noch gleich?

Genau. Wie mit einer Absicht ein Ziel erreicht werden kann, das dann die große Vision erfüllt. Ich würde sagen, Schritt für Schritt. Und immer schön die Schoggi wegsperren, das Telefon verstecken und vor dem Arbeiten alle dreckigen Socken wegräumen :-)